Das Buch „Fasten und Meditation“ von Hopfenzitz und Lützner – diskutiert von Frank Aschoff

Dass ich Hellmut Lützner zu Lebzeiten noch etwas persönlich kennenlernen und sprechen konnte, dafür bin ich dankbar. Am Rande eines Interviews erzählte er mir, dass er sich häufig in seine Wohnung am Heiligenberg zurückziehe und meditiere. Er wirkte auf mich auf Veranstaltungen auch wie ein Mensch, der seine innere Mitte gefunden hatte, der genau wusste, was ihm wichtig ist.

So war ihm sein Buch „Fasten und Meditation“ sehr wichtig, wie mir von dritter Seite gesagt wurde. Erstautorin ist Petra Hopfenzitz (+), die seit 1986 wie Hellmut Lützner in der Kurpark Überlingen arbeitete und Diplom-Ökotrophologin und Heilpraktikerin (Psychotherapie) war.

Aus der eigenen Lebensgeschichte heraus, mit den Themen Übergewicht und Essstörungen, suchte sie nach Lösungswegen und entwickelte so das Arbeiten mit inneren Bildern für die Fastenden in der Klinik. So ist das Buch aus der Praxis der Betreuung von Fastenden für Fastende und Fastenbetreuende entstanden.

Meditation ist ein weiter Begriff. Dessen sind sich die Autor:innen bewusst. Sie definieren, was sie darunter verstehen und sie arbeiten gleich zu Beginn heraus, wie Fasten und Meditation zusammengehören, ja, ideal zusammenpassen.

„Fasten heißt: aus sich selbst, von innen leben. Für den Körper bedeutet dies, dass er aus seinen Fastendepots lebt, die sichtbar sind und oft als Übergewicht belasten. Was aber bedeutet Fasten im seelisch-geistigen Sinn? Wer schon Erfahrung im Fasten hat, kennt das Bedürfnis, während dieser Zeit mit sich selbst allein zu sein, in Ruhe gelassen zu werden – „in die Wüste zu gehen“, wie es die Bibel nennt. Diesem Wunsch kommt die Meditation entgegen. Seit Jahrtausenden bewährt, hilft sie uns, einen Ruhepunkt in uns zu finden: die eigene Mitte.“

Visualisierung            

In dem Buch wird „Meditation“ als Innenschau verstanden, bzw. es wird mit Visualisierungen gearbeitet. Es wird davon ausgegangen, dass man mithilfe dieser Meditationsart Kontakt zum Unterbewusstsein aufnehmen kann. Um ein Beispiel für eine solche Übung zu nennen: „Lassen Sie in Ihrer Fantasie spontan ein Tier auftauchen, das ihrem Gefühlsleben entspricht. Akzeptieren Sie das Tier, das als Erstes auftaucht.“ Man soll innerlich zu diesem Tier Kontakt aufnehmen und schließlich über das spontan im Geist aufgetauchte Tier als Symbol der Seelenkräfte reflektieren und überlegen, was das gewählte Tiersymbol mit einem selbst zu tun hat.

Diese Übung wird für den Beginn der Fastenwoche vorgeschlagen und soll dazu dienen, dass sich der Fastende über seine Motivation zum Fasten klar wird, sich über seine eigenen Ess- und Lebensgewohnheiten bewusster wird. Also ein Klärungsprozess, der sicher am Anfang einer Fastenzeit sinnvoll ist.

Durch die Herangehensweise über die Visualisierung geht diese Klärung auch etwas tiefer, als wenn dieser Prozess zum Beispiel nur über abstraktes Denken erfolgt.

Ein sehr wichtiger Vorschlag ist die Klärung dieser Motivation zum Fasten und Meditieren. Wichtig für den Fastenden! Interessanterweise wird auch in vielen Meditationstraditionen eine Klärung der Motivation als fundamentale Voraussetzung angesehen.

So werden die Leser:innen gleich zu Beginn mit einigen Fragen konfrontiert: 

Leitfragen

„Was waren die Beweggründe, dieses Buch zu kaufen? Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit ...“ (2008, S. 8)

Es folgen 5 Fragen:

  1. Ist Ihr Gewicht, Ihre Figur das Hauptmotiv?
  2. Haben Sie das Bedürfnis, etwas für Ihre Gesundheit zu tun?
  3. Befinden Sie sich in einer Phase des seelischen Wandels?
  4. Sind Sie geistig derzeit auf der Suche?
  5. Wollen Sie in Ihrem Leben etwas verändern?

Dies sind sicher Fragen, die gute Anhaltspunkte für eine Klärung im Vorfeld bieten. Sie können sicher vom einzelnen Fastenden oder von Fastenleiter:innen auch indivuduell angepasst werden. 

Ein weiterer sehr wichtiger Gedanke findet sich im Kapitel „Fasten – Gewohnheiten loslassen“.

„In der Zeit des Fastens erleben Sie Ihre Gefühle intensiver als sonst und mit Hilfe der Meditation lernen Sie, Ihre Gefühle zu beachte und ihnen anders Ausdruck zu verleihen als durch Essen. Dadurch gehen Sie den ersten Schritt, um die Verknüpfung „unkontrollierte (oder kontrollierte) Gefühle – unkontrolliertes Essen“ aufzulösen.“ 

Dies erinnert an moderne Ansätze zum sogenannten „emotionalen Essen“. Es wird deutlich, wie sich Fasten, Innenschau und Reflexion ergänzen können, um sich zu weiterzuentwickeln, sprich, sich aus festgefahrenen Mustern zu lösen, und neue, vielleicht hilfreichere, gesündere Verhaltensweisen zu sehen, einzuüben und zu etablieren.

Schreiben      

Interessanterweise wird anschließend an eine Visualisierung auch das Schreiben ins Spiel gebracht. 

„Da Sie in der Meditation Kontakt mit Ihrem Unterbewusstsein aufnehmen, können sich altbekannte, verdrängte Gefühle und Gedanken melden. Nehmen Sie sich dann Zeit, sie niederzuschreiben. Durch das Aufschreiben begegnen wir unseren Gefühlen und unserer Seele respektvoll und entlastend, vor allem, wenn unangenehme Empfindungen auftauchen."

 Das Schreiben oder auch das Tagebuchschreiben ist etwas, dass Hellmut Lützner dem Fastenden in verschiedenen Zusammenhängen ans Herz gelegt hat. So auch in seinem Buch „Wie neugeboren durch Fasten“. Hier rät er:

„Genießen Sie die Stille der Nacht oder des dämmernden Morgens, und nehmen Sie es an, wenn Gedanken über Ihre Familie, Ihren Beruf oder Ihre Lebenssituation in Ihnen aufsteigen. Sträuben Sie sich nicht, auch einmal über sich selbst nachzudenken. Am besten legen Sie sich einen Zettel und einen Bleistift bereit und schreiben alles auf, was Ihnen einfällt. Viele Menschen haben gerade in solchen Fastennächten den Weg zu sich selbst oder den Schlüssel für lang gesuchte Problemlösungen gefunden.“ 

Eine in Fastenkursen oft geübte Praxis ist das Schreiben eines Briefes an sich selbst, den der Fastenleiter aufbewahrt und zeitversetzt dem Fasten zuschickt. 

Diskussionswürdig   

In diesem Artikel möchte ich versuchen aus meiner Sicht als Meditationslehrer und Schreibpädagoge die Highlights herauszuarbeiten, ich möchte aber auch Dinge erwähnen, die aus meiner subjektiven Sicht diskussionswürdig sind. So wird im Buch geraten:

„Zu einem späteren Zeitpunkt entlassen Sie das Niedergeschriebene – am besten durch Verbrennen –, um die Emotionen sichtbar zu verabschieden.“ Dies steht der Haltung einer nichtwertenden Achtsamkeit entgegen, die Bestandteil der meistgeübten Meditationsformen ist. Das freundliche Verabschieden akuter Emotionen ist sicherlich sinnvoll, um Neuem Platz zu machen. Aber ein „Verbrennungsritual“ erscheint mir hier als deplatziert.

Weitere diskussionswürdige Punkte in dem Buch sind Vorschläge, die mir persönlich als dem magischen Denken verwandt zu sein scheinen: So wird zum „Wegdenken“ von Warzen geraten, einer „geistigen Behandlung“ (S. 90). Dem Leser wird zur Reflexion über seinen unbewussten Krankheitsvorteil geraten (S. 91). Oder: „Dass Gedanken und innere Vorstellungen die Realität zu beeinflussen vermögen, ist kein Ammenmärchen.“ Oder es wird der Vorschlag gemacht, die nächste Fastenzeit bei abnehmendem Mond zu planen.

Nun ist es so, dass unter anderem die moderne Placeboforschung die Einflüsse von Vorstellungen, des Denkens und Fühlens sicherlich klar belegt. Trotzdem halte ich es für wichtig, bei Vorschlägen in diesem Bereich immer auch auf die Grenzen dieser Ansätze hinzuweisen, damit zum Beispiel ein Patient nicht das Zeitfenster für eine Behandlung verpasst, die vielleicht bei einer sehr ernsten Erkrankung wirkungsvoller gewesen wäre. 

Die Autor:innen Hopfenzitz und Lützner differenzieren an keiner Stelle, wer für welchen Inhalt verantwortlich ist. Aus der Vita heraus, könnte man aber vermuten, dass diese diskussionswürdigen Aussagen eher von Petra Hopfenzitz stammen.

Fazit   

Das Buch ist ein Fundus für Fastende und Fastenleiter:innen, die sich auf die Meditationsform der Visualisierung einlassen mögen, bzw. diese in die Fastenwoche einbauen möchten. Es stellt wunderbar dar, wie das Fasten tatsächlich als Reise zu sich selbst gelingen kann. Allerdings ist ungeübten, psychologisch nicht gebildeten, Fastenleiter:innen zu empfehlen eine Weiterbildung zu machen, auch um mit möglichen Reaktionen von Teilnehmer:innen angemessen umgehen zu können.

Auch das kurz angerissene Thema des reflektierenden Schreibens, sollte man in entsprechenden Fortbildungen vertiefen. (fa)

 

Frank Aschoff ist Meditationslehrer und Fachjournalist

 

Literatur 

Hopfenzitz, Petra; Lützner, Hellmut. Fasten Meditationsprogramm. 1. Auflage 2008

 

 

 

 

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