Fasten – oder Hungern – als politisches Mittel
„Fasten führt zu einer tiefen Verbundenheit mit sich selbst, mit den anderen Menschen und mit der Natur, deren Luft wir atmen, deren Wasser wir trinken, die uns ernährt, von der wir also leben. Aus dieser tiefen Verbundenheit mit allen und allem wächst die Bereitschaft, sich für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.“
(Niklaus Brantschen 2012)
Fasten hat viele Dimensionen
Niklaus Brantschen ist Zen-Meister, Jesuiten-Pater – und ein bekannter Fastenlehrer. Er verweist immer wieder auf die Mehrdimensionalität des Fastens: gesundheitlich, spirituell und sozial-politisch. Eine häufig vernachlässigte Dimension ist die politische. Brantschen erinnert uns hier unter anderem an Mohanda Gandhis Fastenaktionen im Dienste des Friedens und der Freiheit. Der berühmte Inder plädierte für das Fasten als gewaltloses Mittel im Kampf um Gerechtigkeit:
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Gandhi, „Der Unbequeme“, wurde am 4. Januar 1932 inhaftiert. Man befürchtete, dass Gandhi neue Aktionen gegen die Kolonialmacht einleiten würde. In der Haft erklärte er am 20. September 1932 sein erstes „Fasten bis zum Tode“. Es sollte die Briten von separatistischen Bestrebungen, Landesteile nach Religionszugehörigkeit zu bilden, abhalten und den Indern ein Signal zur Integration der Kastenlosen sein. Sechs Tage später beendete Gandhi den Hungerstreik, weil es zu einem Kompromiss kam. Unter anderem hatte Gandhis Hungerstreik zur Folge, dass beispielsweise hinduistische Tempel erstmals den Kastenlosen offenstanden.
Mohanda Gandhi 1932, im Hungerstreik.
Hungerstreik als politischer Druck
Am 30. August 2021 ist eine Gruppe junger Menschen in den unbefristeten Hungerstreik getreten. Die Aktion findet in Berlin statt. Sie fordern ein Gespräch mit den drei Kanzlerkandiat:innen und die Einrichtung eines Bürger:innenrates. Sie informieren über ihre Aktion unter:
Sie schreiben, dass sie sich sorgfältig vorbereitet haben und die Aktion medizinisch begleitet wird. Sie veröffentlichen auch wichtige Hinweise zum Fasten und warnen Menschen vor dem spontanen Mitmachen im Alleingang.
dfa-Statement
Die Deutsche Fastenakademie (dfa) sieht Fasten schon immer auch in der Dimension des Umweltschutzes. Eines ihrer Ziele ist: „Das Fasten als natürlichen Bestandteil einer gesundheitsfördernden und umweltbewussten Lebensweise in der Bevölkerung verankern.“ Aktuell erkennen viele im Gesundheitssystem in der Gesundheitsförderung Tätige: Ohne eine gesunde Erde gibt es keinen gesunden Menschen!
Die dfa hat großen Respekt vor dem Einsatz dieser jungen Menschen und der dfa-Vorstand und das dfa-Redaktionsteam gibt folgendes Statement dazu:
"Angesichts sengender Hitze, brennender Wälder und vernichtender Fluten verstehen wir Wut und Verzweiflung von Teilen der jungen Generation. Jetzt greifen junge Menschen in Berlin in der Aktion ‚Hungerstreik2021‘ zu einem ungewöhnlichen Mittel, dem Hungern bzw. dem Fasten als politischem Druckmittel. Als Kompetenzzentrum für das Fasten begrüßen wir sehr, dass die Aktion nach Auskunft der Streikenden gut vorbereitet wurde und medizinisch betreut wird! Ein Hungerstreik ist keine Fastenkur, das wissen wir. Trotzdem möchten wir betonen: Das Fasten soll grundsätzlich dem Leben dienen und nicht zerstörerisch sein. Das Fasten hat neben der gesundheitlichen auch eine sozial-politische Dimension, ein berühmtes Beispiel ist der Inder Mohanda Gandhi, ein Wegbereiter des gewaltlosen Widerstands.
In diesem Sinne wünschen wir der Aktion Erfolg und sind gerne bereit, mittels unserer Fachkenntnisse zum Fasten mit Informationen zur Seite zu stehen.“ (fa)
Wir sind unter anderem auch über Instagram erreichbar und natürlich über unsere Webseite:
Literatur
Niklaus Brantschen: Fasten für Körper, Geist und Seele. AIRA Verlag, Freiburg; Neuausgabe 2012.